Bessel-Filter

Ein Bessel-Filter (auch als Bessel-Thomson-Filter bezeichnet) ist ein Frequenzfilter, bei dessen Entwurf folgende (äquivalente) Eigenschaften angestrebt werden:

  • optimales „Rechteckübertragungsverhalten“, d. h. eine Wellenform, deren Frequenzanteile innerhalb des Durchlassbereichs des Filters liegen, erscheint (bis auf eine Verzögerung) nahezu unverändert am Ausgang;
  • konstante Gruppenlaufzeit im Durchlassbereich;
  • linearer Phasengang im Durchlassbereich.

Dabei wird in Kauf genommen, dass der Amplitudenverlauf nicht so scharf wie beim Butterworth-Filter oder Tschebyscheff-Filter abknickt.

Das Filter wurde 1949 von W.E. Thomson als – hinsichtlich der Gruppenlaufzeit – optimales passives Verzögerungsnetzwerk entwickelt und nach dem deutschen Mathematiker Friedrich Wilhelm Bessel (1784–1846) benannt.

In der digitalen Signalverarbeitung können Bessel-Filter durch Wahl entsprechender Filterkoeffizienten in IIR-Filtern (rekursive Filterstruktur) realisiert werden.

Übertragungsfunktion

Anmerkung:Die Eckfrequenz des Butterworth-Filters und der Tiefpasskaskade wurde dem Bessel-Filter angeglichen

Die Übertragungsfunktion ist darauf optimiert, die Gruppenlaufzeit von der Frequenz unabhängig zu machen.

Mit der Übertragungsfunktion für ein Filter n-ter Ordnung

A _ = A 0 1 + i = 1 n c i P i {\displaystyle {\underline {A}}={\frac {A_{0}}{1+\sum _{i=1}^{n}c_{i}^{\prime }P^{i}}}}

mit

A 0 {\displaystyle A_{0}} Gleichspannungsverstärkung
P = p ω g j Ω = j ω ω g {\displaystyle P={\frac {p}{\omega _{g}}}\Leftrightarrow j\Omega =j{\frac {\omega }{\omega _{g}}}} und ω g {\displaystyle \omega _{g}} Grenzfrequenz

lässt sich für die Koeffizienten c i {\displaystyle c_{i}^{\prime }} die Rekursionsformel

i = 1: c 1 = 1 {\displaystyle c_{1}^{\prime }=1}
i = 2 … n: c i = 2 ( n i + 1 ) i ( 2 n i + 1 ) c i 1 {\displaystyle c_{i}^{\prime }={\frac {2(n-i+1)}{i(2n-i+1)}}\cdot c_{i-1}^{\prime }}

ermitteln.

Die Koeffizienten sind allerdings nicht auf die Grenzfrequenz normiert, sondern auf die Gruppenlaufzeit, d. h. bei Ω = 1 {\displaystyle \Omega =1} ist die Amplitude nicht um 3 dB abgesunken. In [1] finden sich diese Koeffizienten auf die Grenzfrequenz umgerechnet sowie die Koeffizienten aller Einzelfilter bis zur zehnten Ordnung.

Eigenschaften

Das Bessel-Filter besitzt folgende Eigenschaften:

  • glatter Frequenzverlauf im Durchlassbereich
  • geringe Steilheit des Amplitudengangs (geringer als beim Butterworth-Filter) im Bereich der Grenzfrequenz
  • geringes Überschwingen bei der Sprungantwort, verringert sich mit der Ordnung
  • konstante Gruppenlaufzeit im Durchlassbereich

Normalisierte Bessel-Polynome

n Bessel-Polynom
1 1 + P {\displaystyle 1+P}
2 1 + P + 1 3 P 2 {\displaystyle 1+P+{\frac {1}{3}}P^{2}}
3 1 + P + 2 5 P 2 + 1 15 P 3 {\displaystyle 1+P+{\frac {2}{5}}P^{2}+{\frac {1}{15}}P^{3}}
4 1 + P + 3 7 P 2 + 2 21 P 3 + 1 105 P 4 {\displaystyle 1+P+{\frac {3}{7}}P^{2}+{\frac {2}{21}}P^{3}+{\frac {1}{105}}P^{4}}
5 1 + P + 4 9 P 2 + 1 9 P 3 + 1 63 P 4 + 1 945 P 5 {\displaystyle 1+P+{\frac {4}{9}}P^{2}+{\frac {1}{9}}P^{3}+{\frac {1}{63}}P^{4}+{\frac {1}{945}}P^{5}}

Siehe auch

  • Tschebyscheff-Filter
  • Cauer-Filter
  • Butterworth-Filter

Literatur

  • T. D. McGlone: Butterworth & Bessel Filters: A Tutorial Overview. CreateSpace Independent Publishing Platform, 2016, ISBN 978-1533172808.

Einzelnachweise

  1. Ulrich Tietze, Christoph Schenk: Halbleiter-Schaltungstechnik. 8. Auflage. Springer, Berlin/Heidelberg 1986, ISBN 3-540-16720-X.