Milnor-Wood-Ungleichung

Im mathematischen Gebiet der Differentialgeometrie gibt die Milnor-Wood-Ungleichung ein Hindernis für die Existenz eines flachen Zusammenhangs auf einem Faserbündel.

Sätze von Milnor und Wood

Die klassische Milnor-Wood-Ungleichung betrifft (orientierte) flache Kreisbündel über einer Fläche Σ {\displaystyle \Sigma } , deren Monodromie also durch einen Homomorphismus ρ : π 1 Σ H o m e o + ( S 1 ) {\displaystyle \rho \colon \pi _{1}\Sigma \to Homeo^{+}(S^{1})} gegeben ist. Eine stärkere Ungleichung erhält man für lineare flache Kreisbündel, also mit Monodromie ρ : π 1 Σ S L ( 2 , R ) {\displaystyle \rho \colon \pi _{1}\Sigma \to SL(2,\mathbb {R} )}

Satz (Milnor): Sei Σ {\displaystyle \Sigma } eine geschlossene, orientierbare Fläche vom Geschlecht g {\displaystyle g} . Für die Eulerklasse eines linearen flachen Kreisbündels π : E Σ {\displaystyle \pi \colon E\to \Sigma } über Σ {\displaystyle \Sigma } gilt

| e u ( E ) | g 1 {\displaystyle \vert eu(E)\vert \leq g-1} .

Insbesondere hat das Tangentialbündel einer geschlossenen, orientierbaren Fläche vom Geschlecht g 2 {\displaystyle g\geq 2} keinen flachen Zusammenhang.

Satz (Wood): Sei Σ {\displaystyle \Sigma } eine geschlossene, orientierbare Fläche vom Geschlecht g {\displaystyle g} . Für die Euler-Klasse eines flachen Kreisbündels π : E Σ {\displaystyle \pi \colon E\to \Sigma } über Σ {\displaystyle \Sigma } gilt

| e u ( E ) | 2 g 2 {\displaystyle \vert eu(E)\vert \leq 2g-2} .

Der Satz von Milnor folgt aus dem Satz von Wood, weil man zu einer Darstellung π 1 Σ S L ( 2 , R ) {\displaystyle \pi _{1}\Sigma \to SL(2,\mathbb {R} )} vermöge der 2-fachen Überlagerung S L ( 2 , R ) P S L ( 2 , R ) {\displaystyle SL(2,\mathbb {R} )\to PSL(2,\mathbb {R} )} eine Darstellung π 1 Σ P S L ( 2 , R ) H o m e o + ( S 1 ) {\displaystyle \pi _{1}\Sigma \to PSL(2,\mathbb {R} )\subset Homeo^{+}(S^{1})} bekommt, deren Eulerzahl gerade die Hälfte der Eulerzahl der ursprünglichen Darstellung ist.

Aus dem Satz von Goldman folgt, dass die Darstellungen ρ : π 1 Σ P S L ( 2 , R ) {\displaystyle \rho \colon \pi _{1}\Sigma \to PSL(2,\mathbb {R} )} mit e u ( E ρ ) = ± ( 2 g 2 ) {\displaystyle eu(E_{\rho })=\pm (2g-2)} genau die diskreten und treuen Darstellungen sind.

Beschränkte Kohomologie

Die Beweise von Milnor und Wood benutzten Abschätzungen für Kommutatoren in S L ( 2 , R ) {\displaystyle SL(2,\mathbb {R} )} bzw. H o m e o + ( S 1 ) {\displaystyle Homeo^{+}(S^{1})} . Ein einfacherer auf Ghys und Jekel zurückgehender Beweis benutzt beschränkte Kohomologie: die universelle Eulerklasse in H 2 ( H o m e o + ( S 1 ) ; R ) {\displaystyle H^{2}(Homeo^{+}(S^{1});\mathbb {R} )} lässt sich durch einen beschränkten Kozykel der Norm 1/2 repräsentieren.

Verallgemeinerungen

Höherdimensionale Bündel

Satz (Sullivan-Smillie): Für die Euler-Klasse eines flachen G L + ( n , R ) {\displaystyle GL^{+}(n,\mathbb {R} )} -Bündels π : E M {\displaystyle \pi \colon E\to M} über einer geschlossenen, orientierbaren Mannigfaltigkeit M {\displaystyle M} gilt die Ungleichung

| e u ( E ) | 1 2 n M {\displaystyle \vert eu(E)\vert \leq {\frac {1}{2^{n}}}\parallel M\parallel }

für die Eulerklasse e u ( E ) {\displaystyle eu(E)} und das simpliziale Volumen M {\displaystyle \parallel M\parallel } .

Man sagt, dass eine Mannigfaltigkeit M {\displaystyle M} der Milnor-Wood-Ungleichung mit Konstante M W ( M ) R {\displaystyle MW(M)\in \mathbb {R} } genügt, wenn für jedes flache G L + ( n , R ) {\displaystyle GL^{+}(n,\mathbb {R} )} -Bündel die Ungleichung

| e u ( E ) | M W ( M ) | ξ ( M ) | {\displaystyle \vert eu(E)\vert \leq MW(M)\vert \xi (M)\vert }

für die Eulerklasse e u ( E ) {\displaystyle eu(E)} und die Euler-Charakteristik χ ( M ) {\displaystyle \chi (M)} gilt. Aus dem Satz von Milnor folgt M W ( Σ g ) = 1 2 {\displaystyle MW(\Sigma _{g})={\frac {1}{2}}} und aus einem Satz von Bucher-Gelander M W ( M 1 × M 2 ) = M W ( M 1 ) M W ( M 2 ) {\displaystyle MW(M_{1}\times M_{2})=MW(M_{1})MW(M_{2})} .

Toledo-Invariante

Sei X = G / K {\displaystyle X=G/K} ein Hermitescher symmetrischer Raum nichtkompakten Typs vom Rang p {\displaystyle p} und ω {\displaystyle \omega } die Kählerform der Bergman-Metrik. Dann gilt für eine stetige Abbildung f : Σ X {\displaystyle f\colon \Sigma \to X} einer Fläche Σ {\displaystyle \Sigma } vom Geschlecht g {\displaystyle g} die Ungleichung

| Σ f ω | 4 p ( g 1 ) π {\displaystyle \vert \int _{\Sigma }f^{*}\omega \vert \leq 4p(g-1)\pi } .

Diese Ungleichung lässt sich interpretieren als Abschätzung für die Norm der Kählerklasse (und damit der Toledo-Invariante) in beschränkter Kohomologie. Sie verallgemeinert die Abschätzung der Eulerklasse für G / K = S L ( 2 , R ) / S O ( 2 ) {\displaystyle G/K=SL(2,\mathbb {R} )/SO(2)} .

Literatur

  • J. Milnor: On the existence of a connection of curvature zero, Comm. Math. Helv. 21, 215–223 (1958)
  • J. Wood: Bundles with totally disconnected structure group, Comm. Math. Helv. 46, 257–273 (1971)
  • W. Goldman: Topological components of spaces of representations, Invent. Math. 93, 557–607 (1988)
  • M. Burger, A. Iozzi, A. Wienhard: Surface group representations with maximal Toledo invariant, Ann. Math. 172, 517–566 (2010)
  • T. Hartnick, A. Ott: Milnor-Wood type inequalities for Higgs bundles, online (PDF; 383 kB)